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Mach’s gut Sir Henry – Abschied vom Lieblingsnachbarn

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Kein guter Tag. Es zeichnete sich in den letzten Wochen schon ab: unserem Lieblingsnachbar oder Fusselfreund oder Knopfauge oder Humpelbeinchen oder Head-Banging-Cat ging es nicht gut. Ein Kater im hohen Alter, charmant und ein bisschen frech zuweilen. Sein richtiger Name: Sir Henry.

„Habt Ihr ’ne Katze?“ – „Nein, das ist Sir Henry und er gehört der lieben Nachbarin dort gegenüber. Das weiß er grundsätzlich auch, doch er residiert auf mehreren Terrassen. Der ganze Platz ist sein zu Hause. Eine WG quasi. Ein bisschen wie Hausmeister, nur in lieb.“  – „Aha.“
Ein häufig geführter Dialog auf unserer Terrasse. Henry ist der Kater, der mich für die Katze an sich „geöffnet“ hat. Fand ich doch Katzen von jeher doof und wahnsinnig gefährlich. Ihm war das egal. Er kam einfach immer wieder und drängte sich charmant in mein (Garten)Leben. Am Anfang setzte er sich nur brav vor die Terrassentür (Foto von 2005), später machte er durch lautes Klopfen auf sich aufmerksam: „Huhu, ich bin es, Euer Freund Henry! So öffnet mir die Tür!“
Im letzten Jahr begann er auch schon mal ungeduldig mit beiden Vorderfüßen zu klopfen, dies brachte ihm den Namen „Head-Banging-Cat“, weil sich der Kopf dazu immer so lustig nach vorn und hinten bewegte.

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Irgendwann hatte ich ihn auch lieb. Das Herz des Ehemannes hatte er sowieso schon immer erobert. Zwei dicke Freunde. In den letzten zwei Jahren hatten wir auch ein intensiveres Verhältnis, der Henry und ich, besonders wenn er sich zu mir auf den Doppeldeckchair oder die Gartenbank legte und mich mit seinem ruhigen Atem entspannt Konzepte erarbeiten ließ.

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Ein schönes Leben hatte er, der kleine Sir. Für ein Leckerli und ein paar Streicheinheiten hat er sich auch immer brav fotografieren lassen. 🙂 Oh, wie viele Objektive wir zunächst am schwarzen Kater ausprobiert haben. Keine leichte Sache für ein Objektiv. Ein echtes Supermodel.

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IMG_6762Da ist so ein Kater aber vielleicht auch mal genervt…

Auf eine Geschichte blicke ich besonders gerne zurück. Stichwort „Katzenminze“.
Ein Einrichtungsmagazin schlug vor, Terrasse und Balkon mit gesunden Kräutern zum Blühen zu bringen. Toll sah das aus in diesem Magazin. Ich bestellte also das Set „Sommerfreude in weiß und rosa“ bei einem esoterischen Bergbauernhof im Allgäu. Ich hatte alle Pflanzen auf der Terrasse ausgebreitet, während ich beim Lesen des Beipackzettels schon ein schlechtes Gewissen bekam. Ich sollte die Pflanzen mit einer Bachblüten-Dingsbums-Welcome-Tinktur im Gießwasser behandeln. Während ich noch überlegte, ob sich jemand mit mir einen üblen Scherz erlaubte, kam Henry des Weges, blieb auf dem Rasen stehen und blickte mich – typisch männlich – fragend an: „Was soll denn das ganze Kraut hier? Mach‘ mal lieber Platz. Ich komm hier nicht durch zur Bank.“ Ich erklärte ihm, dass wir vorsichtig vorgehen müssten, damit sich die Pflanzen nicht erschrecken, sie wären dieses Stadtleben ohne Bachblütentinktur im Gießwasser einfach nicht ge… weiter kam ich nicht. Henry stürzte sich auf einen kleinen Topf und begann grunzend daran herumzukauen. Ich stürzte auf den Topf und den Kater zu, rief:“Nein, was machst Du denn da? Die erschreckt sich und dann ist die Blume tot. He!“ – Ich griff nach dem Blumentopf und versuchte ihn wegzuziehen. Wir kämpften um den Blumentopf. Es war ein Frau-Katze-Blumentopfkampf. Wenn ich zu sehr zog, dann war das ganze Kraut verloren. Aber wie sollte ich den Kater loswerden? Ich rief: „Meine Blume, meine Blume!“ – Er grunzte nur und fauchte ein bisschen, während er sich an einem Stengel festbiss schien er mir zuzurufen: „Lass los, das ist ein geiler Stoff! Grumpf!“ – Dann lösten sich drei Blättchen und der Kater. Puh, Glück gehabt! Ich rettete den Blumentopf ins Wohnzimmer. Henry war wie irre und rannte über den Rasen. Er sprang viel höher als sonst und bewegte sich wie ein Windhund. Sollte ich ein Stöckchen werfen? Ach herrje, was ist denn das für’n Zeug? Ich kontrollierte die Topfnummer mit dem Lieferschein und fand dort die information „Katzenminze“. Katzenminze? Ich googelte und fand „natürlicher Stimmungsanreger“ und „in großen Mengen kann es zu Magenverstimmungen führen“. Ich blickte den ca. 10 cm hohen Blumentopf mit seinen noch verbliebenen fünf Blättchen an und fragte besorgt den Ehemann. Große Mengen? Wir entschieden: Biomüll. Augen auf, beim Kräuterkauf! Den Rest der esoterischen Kräuter habe ich dann doch noch angepflanzt und manchmal finde ich sogar noch Reste dieser Aktion zwischen meinen Blumen.

IMG_9224Warum und wie große Katzen in kleine Kartons passen, das werde ich nie verstehen…

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Schade, dass Du nicht reden konntest, lieber Henry. Manchmal hast Du so Dinge, wie „Miau, mau,mau.“ gesagt, dabei variierte oft auch die Betonung. Ungeduld? Freude? Wir werden es nicht erfahren.
Eins ist sicher: für Dich ist es eine Erlösung und Du hattest ein schönes Katzenleben. Wir werden Dich sehr vermissen!
Mach’s gut, kleiner Freund!

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6 Comments

  • Reply
    Denise
    14. Februar 2011 at 23:18

    Jetzt musste ich Tränen lachen. Hätte den Kampf Sir Henry vs. Sandra gerne gesehen. Ich kann mir gut vorstellen, wie du da standest und versucht hast, ihn erst zu überzeugen und dann den Topf an dich gerissen hast.
    Auch wenn ich Sir Henry nur kurz kannte, so eine tolle Katze trifft man selten. Ich hoffe er tollt jetzt irgendwo fröhlich über eine Blumenwiese. Oder liegt faul in der Ecke und lässt sich mit Leckerlis füttern.

  • Reply
    Kevin
    15. Februar 2011 at 15:55

    Vielen Dank für die lieben Erinnerungen. Auch ich werde Sir Henry nicht vergessen…

    der Co-Babysitter

  • Reply
    Angela
    15. Februar 2011 at 21:00

    Ach, liebe Frau Dirks…..es war so toll Ihren Nachruf zu lesen.
    Die Erinnerungen mit (und manchmal auch ohne) ihn werden immer in meinem Herzen bleiben.
    Ja, er war schon ein ganz Toller! Wen er sich aussuchte….dessen Herz hat er auch erobert.
    Dauerte es auch noch so lange. Irgendwann hat er es geschafft, nichtwahr?
    Danke noch einmal für die schönen Fotos.
    Es ist jetzt ganz schön einsam ohne ihn. Daran muss ich mich erst gewöhnen. Ist nicht so leicht!

    Die Katzenmutter

  • Reply
    SanDi
    15. Februar 2011 at 23:09

    Liebe Katzenmutter,

    ich freue mich von Ihnen zu lesen, denn ich hatte noch nicht so schnell mit einer Antwort gerechnet. Das muss ja alles erst einmal etwas verdaut sein.
    Ich wünsche ihnen ganz viel Kraft für die Zeit ohne Sir Henry.
    Ja, der kleine Sir hat nicht locker gelassen. Immer stand er wieder vor der Tür. Würde mich nicht wundern, wenn ich auch irgendwann später mal eine Katzenmutti werde, nur weil er mich so charmant davon überzeugt hat. 😉

    Herzliche Grüße von
    Gegenüber

  • Reply
    @canesco
    19. Februar 2011 at 19:36

    Schöne Bilder & ein schöner Nachruf.
    Ich kannte Sir Henry nicht, bin aber sicher, dass er froh war, solche Nachbarn wie Euch zu haben.

  • Reply
    SanDi
    19. Februar 2011 at 19:41

    Dankeschön @canesco!
    Ich glaube schon, dass er sich bei uns sehr wohl gefühlt hat. Er hat ja täglich vorbeigeschaut.
    Allerdings hat er nie so lustig geschlafen, wie Deine Katze. 😉 Das sieht immer sehr akrobatisch auf Deinen Fotos aus.

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