Jetzt bestellte ich schon im 3. Jahr unseren Weihnachtsbaum bei meinetanne.de und war bisher immer sehr zufrieden. Lieferten sie doch immer einen Weihnachtsbaum nach meinem Geschmack frisch aus Schleswig Holstein.
Nach meinem Geschmack, das bedeutet, formvollendet, dreieckig, so wie ein Baum eben aussehen sollte. So, wie ich ihn zeichne, so wie man ihn sich vorstellt. Ja, wenn du so willst: Künstlich, natürlich, perfekt. 1A.
Ich bestellte immer den großen Karl in ca. 170 cm und hier im Beitrag von 2017 kannst du erkennen, dass der ziemlich stattlich war. 2018 auch, aber da habe ich gar kein Foto für dich. Musst du mir so glauben.
In diesem Jahr las ich auf der Seite etwas von Blaufichte. Zusätzlich zum Nordmann hatte man jetzt also Blaufichten im Angebot. Blaufichte, das klingt ein wenig graziler als Nordmann. Das klingt nach Herrenhaus statt Blockhaus.
Mein Kopfkino
Also so ein Nordmann, so ein kräftiger Wikingertyp gegen eine grazile Ballerina. Also, die Ballerina, die durch ihre Anmut überzeugt und das Publikum in ihren Bann zieht, wohingegen der Nordmann sehr fingerfertig mit dem Schwert agiert, sollte das eroberte Dorf Publikum nicht so recht überzeugt sein.

Ich wollte das Herrenhaus mit der Ballerina
Ich malte mir eine grazile und dennoch kräftig bläulich schimmernde Tanne aus, die besonders gut mit dem weißen Baumschmuck wirken würde. Es würde der sensationellste und schönste Baum auf dem ganzen Platz werden.
Ich wunderte mich etwas über das wenig voluminöse Tannendings im Netz, das ich gerade aus dem Karton gezerrt hatte. Nun, die Banderole versicherte mir, dass es sich hierbei um die stattliche Emma handelte.
Emma? Die Ballerina?
Emma also. Stattliche Emma, um mal ganz genau zu sein. Erste Zweifel räkelten sich in meinem Kopf herum.
Im besten Fall denkst du bei „Emma“ an einen Roman von Jane Austen. Im Alltag begegnet dir die nervige kleine Emma allerdings nur in Begleitung ihrer furchtbar überspannten Helikoptermutter beim Wochenendeinkauf im EDEKA.
Mal ehrlich, aber Emma, das klingt in etwa so stattlich wie „Osterlämmchen“.
Ich frage den Ehemann nach seiner Assoziation mit dem Namen „Emma“ und er antwortet kurz: „Frauenmagazin!“
Ich schaue irritiert auf den Baum und habe einen Moment das Gefühl, dass er kurz violett aufleuchtet. „Na, dann mal fröhliche Weihnachtenin!“
Also schreibt man marketingwirksam STATTLICH dazu, wenn der Baum – warum auch immer – Emma heißen soll. Die stattliche Emma, weil ein Weihnachtsbaum stattlich aussehen soll, damit Sandra Dirks ihn kauft.
Das erinnert mich an ein Gespräch mit Kollegen letzte Woche, in dem wir darüber lästerten, dass jemand, der sich selbst auf seiner Webseite als Top-Speaker oder Top-Experte bezeichnet, beim genauen Hinsehen eine echte Mogelpackung sein kann. Selbstbewusstsein hin oder her.
Während ich das Netz samt Baum von der Terrasse ins Wohnzimmer trage, werde ich abermals stutzig. Dieser Baum ist so leicht, dass ich ihn ganz lässig alleine in den Baumständer stellen kann. Nur unwesentlich schwerer als ein großer Blumenstrauß.
Ich schneide das Netz auf und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll, während sich der Baum (die Baumin?) entfaltet. So eine Ballerina kann schon mal einen seeeeehr langen Hals haben, oder?

In diesem Jahr reicht die kleine Lichtergarnitur
Die große Kette würde hier eher den Anschein erwecken, dass der Baum brennt. 21 Kerzchen gegen 1080 LEDs. Ist das schon Minimalismus?
Die Hälfte der Kugeln geht ebenfalls zurück in den Keller.


Ich hole einen Dekozweig aus dem Keller, den ich versuche kaschierend zwischen die nicht vorhandenen Äste zu stecken. Um diese Dreieckigkeit zu …ach, ist ja auch egal.

Nein, ich bohre ausnahmsweise keine Löcher und stecke längere Zweige hinein, ich entscheide mich bewusst für den weißen Zweig. Das gefällt mir ganz gut, aber von draußen betrachtet wirkt es gar nicht. Die Nachbarin grinst im Vorbeigehen ob des seltsam langen fast zweiglosen Halses meiner stattlichen Emma.



Der Ehemann liegt auf dem Sofa und hat Tipps zur optischen Täuschung: „Wenn du unten ein bisschen Weite einkürzt, dann wirkt es vielleicht besser?“ – Ich erinnere mich an meinen Friseurbesuch letzte Woche, bei dem mein Hairstylist ähnlich argumentiert hat: „Ich nehme dir hier das Volumen etwas raus, dann fällt das Haar insgesamt leichter.“

Während ich etwas in dieser Art der stattlichen Emma erzähle, renne ich um den Baum herum und schneide Volumen und Weite weg. Auf dem Fußboden neben dem Baum türmt sich schon ein stattlicher Haufen Tanne, als der Ehemann auf dem Sofa liegend plötzlich dazwischen pöbelt: „Du weißt ja wie das endet, wenn man immer wieder verschiedene Tischbeine kürzt, um sie auf die gleiche Höhe zu bringen?“
Fassungslos halte ich inne und weiß nicht, ob ich ihm mit der Gartenschere eins überziehen soll, oder ob ich einfach in die Küche gehe, um einen großen Topf Glühwein zu erwärmen. Kommunikationsexperten raten dazu, einfach mal rauszugehen aus der Situation, wenn’s brenzlig wird. Alkohol macht gleichgültig sagte mal jemand anders irgendwo.

Glühwein ist eine (Er-)Lösung
Der Ehemann tröstet mich: „Keine Äste, keine Kugeln! Alles kein Problem. Sieh mal, es ist ein T-Rex! Ein echter T-Rex-Baum. So ein T-Rex ist ziemlich stattlich, das muss man noch nicht mal dazu schreiben, dass der so stark und stattlich ist! Es ist der stattlichste T-Rex-Baum auf dem gesamten Platz!“
Wir sitzen auf dem Sofa und trinken Glühwein. Nach dem 2,5ten Becher denke ich: „Schickes Ding, dieser Glitzer-T-Rex! Eine wirklich gute Wahl und so stattlich. Na, dann mal frohe Weihnachten!“

1 Comment
Celine
6. Juni 2020 at 22:46Hallo, zwar ist es noch lange hin bis Weihnachten, aber ich weiß nicht, warum ich gerade heute danach gesucht habe. Nun habe ich neue Ideen für das nächste Weihnachtsfest.
Danke!
Grüße
Celine